Balkonkraftwerk


Balkonkraftwerk

An dieser Stelle möchte ich meine Erfahrungen bei der Beschaffung, der Inbetriebnahme und beim Betrieb einer sogenannten Mini-PV-Anlage, im Volksmund auch Balkonkraftwerk genannt, weitergeben. Dieses Thema ist im Moment in aller Munde, deshalb will ich dieses Wissen gerne teilen. Solar-Panels

Alles begann im März 2022 mit einem Artikel in der lokalen Tageszeitung zu diesem Thema. Da meine Frau ökologischen Themen gegenüber recht aufgeschlossen ist, wurde mir dieser Artikel dringend zur Lektüre empfohlen: "Schatz, wäre das nicht etwas für uns?" Daraufhin startete ich die unvermeidliche Recherche im Internet und kam nach einigen Tagen zu dem Schluß, dass es nicht nur umwelttechnisch sondern auch rein wirtschaftlich ein interessantes Projekt sein könnte. Nach grob überschlägigen Rechnungen würde sich die Anlage in ca. 5-6 Jahren armortisieren. Damit war der Startschuss gefallen.

Technische und normative Grundlagen

Mini-PV-Anlagen wurden möglich, als die sogenannte 600-W-Grenze für Kleinanlagen eingeführt wurde, für die keine Einspeisevergütung gezahlt wird, dafür aber auch keine Gewerbe angemeldet und Steuern bezahlt werden müssen. Sie bestehen aus ein oder zwei Standard-Solar-Modulen sowie einem Mikrowechselrichter passender Leistung. Die erzeugte Wechselspannung wird direkt in das Hausnetz eingespeist. Die normativen Grundlagen dafür sind in DIN VDE 0100-551 geschaffen worden. Nach wie vor heftig umstritten ist die Frage, ob die Einspeisung nur über eine spezielle Stecker/Dosen-Kombination ("Wieland-Stecker") erfolgen darf oder ob, wie vielfach beworben, ein übliche und vorhandene Schuko-Steckdose genügt. Aus meiner persönlichen Sicht als Dipl.-Ing. E-Technik ist die Sicherheit der Anlage gegeben, wenn der Wechselrichter die Spannung erst zuschaltet, wenn er mit dem 50-Hz-Netz verbunden ist (Einhaltung der Anforderung nach VDE-AR-N 4105). Die Forderung nach einer speziellen Einspeisedose ist aus meiner Sicht eine Idee der Elektriker-Lobby, die an einer echten "Stecker-Solar-Anlage" eben nichts (oder weniger) verdient. Update Januar 2023: Der Presse ist zu entnehmen, dass nach einer Äußerung des Leiters der Bundesnetzagentur auch der VDE seine Haltung zu diesem Thema überdenkt. Zudem soll die "Bagatellgrenze" auf 800 W angehoben werden.

Beschaffung

Also begann ich im Internet nach Lieferanten und Preisen zu suchen. Angebote für Komplettanlagen fanden sich rasch und in großer Zahl. Die erste Überraschung bestand dann darin, dass unter den meisten Offerten der Satz "Auf Grund der angespannten Liefersituation können wir im Moment keine Terminzusagen machen" prangte. Na ja, überraschend war es nicht wirklich ... Die Preise bewegten sich zwischen 600 und 1000 EUR. Aber man könnte ja die Komponenten auch einzeln besorgen. Leider ändern sich Preis und Lieferzeit dadurch nicht. Also noch einmal suchen. Und tatsächlich fand sich auf einem bekannten Kleinanzeigen-Portal ein Angebot mit dem Zusatz "Sofort lieferbar!" Mails an den Anbieter wurden schnell und kompetent beantwortet, daher möchte ich ihn an dieser Stelle auch namentlich nennen, was ich sonst eher vermeide. Die Firma P4 GmbH aus Bubesheim bestätigte mir die sofortige Verfügbarkeit. Die angebotene Anlage bestand aus:

  • 2x Canadian Solar CS3L-375 (made in China, der Firmenname täuscht)
  • Wechselrichter Deye SUN600G3-EU-230 600W ebenfalls made in China)

    Der Abhol-Preis betrug im Mai 2022 903,- EUR, lag also deutlich über den bis dahin publizierten Werten. Für den Versand wären noch einmal 120 EUR fällig gewesen. Eine einfache Rechnung zeigte mir, dass eine Abholung aus 280 km Entfernung nur etwa 50 EUR kostet. Und so standen am 31. Mai 2022 zwei Solar-Panele und ein Wechselrichter im Schuppen. Es folgte die ...

    Inbetriebnahme

    Es war von Anfang an klar, dass ich für die Inbetriebnahme einen neuen Stromzähler benötigen würde, denn ich hatte bereits im Vorfeld mit den Stadtwerken Kontakt aufgenommen. Diese forderten jedoch auch eine Überprüfung der Anlage und Beantragung des Zähler-Wechsels durch einen Elektro-Fachbetrieb, obwohl dies gem. §33 des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG)nicht mehr notwendig ist (s. Link rechts). Da ich es jedoch nicht gleich mit den SW verderben wollte, bat ich eine lokale Firma, dies zu übernehmen. Dies erwies sich schwieriger als gedacht, der Handwerker- und Materialmangel hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Zumal man für den neuen Zähler auch eine neue Zählerplatte in die Unterverteilung montieren muss. Aber nach drei Anfragen und nur zwei Wochen war auch diese Hürde genommen.

    Trotz aller Euphorie darf man die Anmeldung der Anlage beim örtlichen Netzbetreiber (i.d.R. die Stadtwerke, mit denen man ohnehin wegen des Zählers spricht) und bei der Bunesnetzagentur nicht vergessen. Letzteres ist ein wenig nervig da man dort
    a) sich als Benutzer
    b) sich als Kraftwerksbetreiber
    c) die konkrete Anlage
    registrieren muss. Aber es gibt genügend Anleitungen im Web und die Seite der BNetzA ist recht benutzerfreudlich gestaltet.
    Wichtiger Punkt: Der Anschluss des Wechselrichters! Die meisten Wechselrichter kommen aus China und haben einen sogenannten "Betteri-Stecker" als Anschluß. Man könnte ihn einfach abschneiden und durch einen Schuko-Stecker bzw. -Buchse ersetzten, aber dann verliert man die Garantie auf das Gerät!! Also während des Beschaffungsprozesses ggfs. nachfragen und ein ensprechendes Gegenstück mitbestellen.

    Betrieb

    Die Anlage ist seit dem 12. Juli 2022 in Betrieb. Sie ist an der Stelle mit der geringsten Verschattung am Doppelstab-Zaun befestigt. Alle Teile wurden aus U-Profilen aus dem Baumarkt selbst hergestellt. Die Stützen sind in der Höhe verstellbar, so kann der Ertrag sonnenstandabhängig noch ein klein wenig optimiert werden. Die Leistungsmessung erfolgt mit Hilfe einer Fritz DECT 200 Steckdose (zum Zeitpunkt der Beschaffung nur gebraucht zu leicht erhöhten Preisen erhältlich), damit können die Erträge bequem über die FritzBox ausgelesen werden. Alternativ könnte man das im Wechselrichter vorhandene Web-Interface benutzen, aber dazu müsste man am Installationsort W-LAN anstehen haben und der Hersteller würde einen Anlagenstandort mehr kennen :-(
    Tageskurve Monatskurve

    Wirtschaftlichkeit

    Für die Beschaffung und Errichtung der Anlage entstanden folgende Kosten:

    PositionKosten
    Mini-Kraftwerk903 EUR
    Abholung50 EUR
    Elektrofirma214 EUR
    Zähler71 EUR
    div. Kleinmaterial50 EUR
    Fritz DECT 20050 EUR
    Gesamt:1.337 EUR

    Die Erträge der ersten Tage sind wetterbedingt optimal und bewegen sich zwischen 3 und 4 kWh pro Tag. Das kann ich in den Spitzenstunden i.d.R. nicht verbrauchen. Das heißt, es wird Strom an die Stadtwerke verschenkt. Mein moderner Zähler zeigt mir dies akribisch an und ich muss es bei der Amortisation berücksichtigen. Nun kommt also die Phase der Verbrauchsoptimierung: Wasch- und Spülmaschine laufen nur zur Mittagszeit und niemals gleichzeitig. Wenn ich jetzt noch meine Frau überzeugen könnte, die Haare nur in der Mittagspause zu fönen ...

    Ende Februar war das Tal der Tränen durchschritten und es geht wieder aufwärts. Der kumulative Anteil selbst erzeugten Stroms lag im Januar bei 13 %. Hier nun die Tageswerte (kWh) für die ersten Monate: Jahreskurve



    Bilanz nach einem Jahr

    Stand: 14.07.2023

    Anzahl Betriebstage:365
    Erzeugt:759 kWh
    davon Eingespeist:224 kWh
    Netto-Ertrag:535 kWh
    Das entspricht bei einem Gesamtverbrauch von 2969 kWh einer Eigenerzeugung von 15,3 % und einer Armortisation von 12,6 % (vorbehaltlich E-Preis-Bremse). Damit kann man zufrieden sein.

    Fazit

    Ja, ein "Balkonkraftwerk" kann sich lohnen. Je nach Wohnsituation (Eigentum, Miete) kann es jedoch ein steiniger Weg sein, und man sollte vor der Anschaffung alle Begleitumstände (Stadtwerke, Eigentümer/Vermieter) prüfen und vor allem die Nebenkosten in die Erfolgsrechnung einbeziehen, denn sie können die Amortisationsdauer deutlich vergrößern. Aber für einen Dipl.-Ing. im Ruhestand allemal ein schönes Projekt :-)

    Sachliche Rückfragen beantworte ich gerne über die im Impressum angegebene Mail-Adresse.

    EMV/HF-Sörungen

    Nachdem ich wieder Zeit für mein großes Hobby Amateurfunk hatte, musste ich natürlich überprüfen, ob der Wechselrichter Störungen aussendet oder nicht. Er tut es, und nicht zu knapp. So wie bei den meisten der Kollegen kommt zu Störungen zumindestens in einem Band. Bei mir ist es 2 m. Der Pegel beträgt, je nach Sonnenintensität bis zu S3. Das Anbringen von Klappferriten sowohl um AC- als auch DC-Leitungen hat leider keine Abhilfe gebracht.

  • Weiterführende Links

    VDE Eine gute Zusammenfassung aus der Sicht des Vereins Deutscher Elektrotechniker (VDE)
    P4 GmbH Zuverlässiger und kompetenter Solar-Lieferant.
    MsBG § 33 des Messstellenbetriebsgesetzes, regelt u.a. die Beantragung durch Anlagenbetreiber
    MHB GmbH Eine kompetente, schnelle und zuverlässige Elektrofirma im Saarpfalz-Kreis